Medizinische Forschung ohne Tierleid
Zwei Förderpreise über je 20.000 Euro
Jedes Jahr leiden und sterben tausende Tiere - von der Maus und der Ratte, über Hasen, Meerschweinchen und Affen bis zu Hunden und Katzen - in grausamen Tierversuchen. Dabei sind Tierversuche völlig unnötig. Denn: Ergebnisse aus Tierversuchen lassen sich bekanntlich nicht 1:1 auf den Menschen übertragen.
Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Belege dafür, dass Tierversuche dem Menschen Schaden statt Nutzen bringen. Ein Beispiel: Ein britisches Forscherteam untersuchte die Ergebnisse aus Tierversuchen, die durchgeführt wurden, um das Risiko für Missbildungen bei ungeborenen Kindern zu erfassen. Dabei kam heraus, dass fast die Hälfte der Substanzen, die bekanntermaßen Fehlbildungen beim Mensch hervorrufen können, in Tierversuchen zuvor als ungefährlich eingestuft wurde. Im umgekehrten Fall wurde ebenfalls fast die Hälfte der Medikamente, die problemlos von Frauen während der Schwangerschaft eingenommen werden können, in Tierversuchen als bedenklich eingestuft.
Nachdem die Zahl der Tierversuche in den 1990er Jahren gesunken war, ist sie seit dem Jahr 2001 wieder kontinuierlich gestiegen. Der Grund für den Anstieg sind vor allem gentechnische Experimente. Nach offiziellen Zahlen des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurden allein im Jahr 2017 2.807.297 Tiere in Tierversuchen verbraucht : 1.963.337 Mäuse, 316.397 Ratten, 300.033 Fische, 94.816 Kaninchen, 18.221 Schweine, 15.455 Meerschweinchen, 3.472 Affen, 3.334 Hunde, 713 Katzen. Neben den offiziellen Zahlen gibt es eine hohe Dunkelziffer, denn viele Tiere sterben schon vor dem eigentlichen Versuch.
Medizinische Forschung ohne Tierleid
Anlässlich der Feier zum 40-jährigen Bestehen des Vereins Ärzte gegen Tierversuche wurde der mit 20.000 Euro dotierte Herbert-Stiller-Förderpreis 2019 für innovative tierversuchsfreie Forschungsprojekte vergeben. Nach Sichtung zahlreicher exzellenter Forschungsanträge wurden am 14.9.2019 in Frankfurt gleich zwei Preisträger gekürt, welche ihre Forschungsprojekte vorstellten.
Der erste Förderpreis ging an Prof. Dr. Jens Kurreck und seine Kollegin Dr. Johanna Berg von der TU Berlin. In ihrem Projekt Clean Bioprinting - tierfreie Produktion, Kultivierung und Charakterisierung von 3D-Organmodellen möchten die Forscher das moderne 3D-Biodruck-Verfahren optimieren, indem sie es völlig frei von tierischen Komponenten gestalten. Der 3D-Biodruck ist eine moderne und vielversprechende Methode zur Herstellung 3-dimensionaler menschlicher Mini-Organe und komplexer Zellkulturmodelle. Prof. Kurreck thematisiert zudem im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der TU Berlin seit langem die Entwicklung der tierversuchsfreien Forschung und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung von Studenten und Nachwuchswissenschaftlern hinsichtlich humanrelevanter Forschungsmethoden.
Der zweite Förderpreises - ebenfalls mit 20.000 Euro - ging an Dr. Mario Rothbauer von der TU Wien für sein Projektvorhaben 3D-Synovium-on-a-chip als Krankheitsmodell für rheumatoide Arthritis , in dem er ein humanbasiertes Zellkulturmodell der menschlichen Gelenkinnenhaut einschließlich Gelenkschmiere entwickeln möchte. Das Organ-on-a-chip-Modell soll der Erforschung rheumatoider Arthritis dienen. Ein solches humanes In-vitro-System ist von hohem Wert, da es Forschungsergebnisse liefert, die für den Menschen relevant sind und den Patienten helfen können. Zudem sind Tierversuche, die in diesem Bereich durchgeführt werden, für die Tiere mit großem Leid verbunden , so Dr. Tamara Zietek, Wissenschaftskoordinatorin bei Ärzte gegen Tierversuche bei der Preisverleihung.
Mit der Verleihung des Herbert-Stiller-Förderpreises tut der Verein Ärzte gegen Tierversuche genau das, wozu er seit langem das wissenschaftspolitische System in Deutschland auffordert: Er unterstützt diejenigen Wissenschaftler, die den Mut haben, die medizinische Forschung zu wandeln, sodass kein Tier mehr leiden muss und Patienten durch humanbasierte Forschungsmethoden mehr Sicherheit erlangen.
Barbara Rütting - 91 Jahre alt - hielt als Ehrengast eine bewegende Rede zum Thema Tier- und Menschenrechte. Alles, was es zum Thema Tierversuche zu sagen gibt, fasste sie mit folgenden Worten treffend zusammen: Es ist ganz einfach: Entweder sind die Tiere uns ähnlich, dann ist es ethisch nicht zu vertreten, dass wir Versuche an ihnen durchführen. Oder sie sind uns nicht ähnlich, dann ist es wissenschaftlich nicht zu vertreten, dass wir Versuche an ihnen durchführen.
Legendär ist Barbara Rüttings Ankettungsaktion beim Pharmakonzern Schering: Als sie 1982 als erfolgreiche Schauspielerin zu Dreharbeiten in Berlin war, kettete sie sich gemeinsam mit anderen Tierschutzaktivisten in den frühen Morgenstunden an die Werkstore von Schering an, um gegen Tierversuche zu protestieren. Kurz darauf hängte Barbara Rütting ihre über 30-jährige Schauspielkarriere an den Nagel (Hauptrollen in 45 Filmen, darunter in dem Antikriegsfilm Die letzte Brücke , Die Geierwally , Operation Crossbow mit Sophia Loren und den Edgar Wallace-Filmen mit Klaus Kinski) und widmete sich ganz dem Einsatz für den Tierschutz und in der Friedensbewegung sowie ihren zahlreichen Buchprojekten.
Lesen Sie auch:
In Gedenken an Barbara Rütting: Freiheit für Tiere sprach vor einiger Zeit mit der Tierschutz-Pionierin, warum sie seit fast 50 Jahren keine Tiere isst, über ihren Weg zur Vegetarierin und schließlich zur Veganerin - und über die schönen Erlebnisse und Erfolge, aber auch Rückschläge im Tierschutz-Engagement.
Gespräch mit Barbara Rütting und Edmund Haferbeck: "Tierschutz und Menschenschutz sind untrennbar" (Aus: Freiheit für Tiere 1/2017)
"Freiheit für Tiere"-Interview mit Barbara Rütting: "Gut für die Gesundheit, die Tiere, die Umwelt" (Aus: Freiheit für Tiere 4/2013)