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Durch Bürgerproteste: Lämmerschlachthof verhindert!

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Lämmerschlachthof verhindert

In Heidenheim an der Brenz, einer idyllischen Kleinstadt in Süddeutschland, probten die Bürger einen Aufstand - und waren damit innerhalb kürzester Zeit erfolgreich. Was war geschehen?

Heidenheim ist umgeben von Wäldern und zahlreichen Wacholderheiden, die von Schafen beweidet werden, um Erhalt und Pflege der Heide zu sichern. Während früher die Wolle der Schafe für die Verarbeitung interessant war, lohnt sich dies heute finanziell nicht mehr. So wird das Schaffleisch vermarktet. In der Werbung wird hervorgehoben, dass die Tiere frei aufwachsen, keine gentechnisch veränderten Futtermittel bekommen... Längst hat sich die Stadt Heidenheim dies zu touristischen Zwecken zunutze gemacht: idyllische Schäferromantik auf der Schwäbischen Alb.

Doch im Herbst 2008 geriet diese Romantik plötzlich ins Wanken. In der Lokalzeitung erschien zunächst nur ein kleiner, unauffälliger Artikel, in dem mitgeteilt wurde, dass die Stadt einem auswärtigen Investor ein Grundstück für einen Lämmerschlachtbetrieb verkaufen wolle. Dies sei vom gesamten Stadtrat einstimmig in einer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen worden. Den Aussagen nach sollten dort 500 Lämmer pro Woche geschlachtet werden. Der Investor wolle, versteht sich, nicht namentlich genannt werden. Die benachbarten Wohnsiedlungen, so wurde versichert, würden nicht durch den Schlachtbetrieb beeinträchtigt werden, da eine Aufstallung im Freien nicht erlaubt sei und die Tiertransporte verschlossen im Inneren des Gebäudes ankämen.

Zunächst nahmen nur wenige Heidenheimer von diesem Vorhaben Notiz. Doch nach einer Woche erschien ein Leserbrief, in dem wache Bürger auf den geplanten Schlachthof aufmerksam machten. Immer mehr Details drangen nun an die Öffentlichkeit.

Direkt vor der Haustüre plötzlich einen Schlachthof zu haben, in dem kleine Lämmer geschlachtet werden sollten - das war so manchem Heidenheimer nun doch zuwider - und zu viel. Darunter war auch ein Mann, der zum einen in unmittelbarer Nachbarschaft zum geplanten Lämmerschlachthof wohnte, zum anderen über Erfahrungen verfügte, die ihn bewogen, sich gegen dieses Bauvorhaben zu stellen. Vor über 30 Jahren hatte dieser Mann selber Tiertransporte durch ganz Deutschland gefahren und wusste daher bestens Bescheid. Er sei zwar kein Vegetarier, wie er freimütig bekannte, doch dass Tiere umhergekarrt werden, eingepfercht in bis zu drei Stockwerke hohe Transporter, von denen einer bis zu 700 Lämmer fasst, das wolle er nicht zulassen. Er bezweifelte, dass es bei den geplanten 500 Schlachttieren pro Woche bleiben würde. Die fahren doch nicht mit einem halbvollen LKW , meinte er. Dagegen muss etwas geschehen , beschloss er und initiierte, unterstützt von ein paar Mitstreitern, beherzt eine Unterschriftenaktion.
Ein Redakteur der lokalen Zeitung erfuhr davon und berichtete in einem Artikel, der durch die große Aufmachung nun nicht mehr zu übersehen war. Die Stadtverwaltung konterte prompt: In einem Zeitungsbericht zeigte der - offensichtlich erboste - Oberbürgermeister den Schlachthofgegnern die Gelbe Karte , indem er sie als Lügner bezichtigte. Und: Für die Belange des Tierschutzes erklärt er sich nicht zuständig. (Heidenheimer Zeitung, 6.11.2008)

Doch da hatte der Oberbürgermeister seine Bürger gründlich unterschätzt - denn nun ging es erst richtig los. Wer vorher vielleicht in den vier Wänden diskutiert und dort seinem Unwillen freien Lauf gelassen hatte, der tat dies nun öffentlich. Binnen weniger Tage bekundeten über 3.000 Menschen mit ihrer Unterschrift, dass sie den Lämmerschlachthof ablehnten. Die Lokalzeitung startete eine Online-Umfrage, in der der Schlachthof mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wurde. Darüber hinaus meldeten sich nun viele Bürger mit Leserbriefen zu Wort und wiesen auf das Tierleid beim Transport, bei der Schlachtung und auch auf das Leid zahlreicher anderer Tierarten in den Massentierställen hin, sogar auf gesundheitliche und klimatische Aspekte des Fleischessens oder das Problem des Welthungers wurde aufmerksam gemacht.

Es brodelte gewaltig in Heidenheim. Schlachthofgegner konsultierten bereits einen Anwalt, um Schritte für ein Bürgerbegehren einzuleiten. Doch so weit musste es nicht kommen - denn nur drei Wochen nach Erscheinen des ersten Zeitungsartikels brachte die Lokalpresse die erfreuliche und erlösende Nachricht: Der Schlachthof kommt nicht! Offenbar waren der Druck und die Proteste so groß gewesen, dass die Stadtverwaltung mit Mehrheitsbeschluss den zugesagten Verkauf für das Grundstück rückgängig machte. So war am 14. November 2008 in der Heidenheimer Zeitung zu lesen: Groß war der Protest von Tierschützern und -freunden, von Anwohnern und anderen Bürgern, und letzten Endes führten wohl nicht zuletzt die zahlreichen Leserbriefe, mit denen die Gegner eines Lämmerschlachthofes gegen den Grundstücksverkauf mobil gemacht hatten, zum Erfolg. Als sehr gewichtiges Argument bei der Entscheidung des Gemeinderates... kann auch die Aussage der einheimischen Schäfer gewertet werden, die eindeutig gegen die Ansiedlung eines Lämmerschlachtbetriebes votierten.

Nachahmenswert und ermutigend! Und nicht nur der Lämmerschlachthof konnte verhindert werden - die öffentliche Diskussion regte auch an, darüber nachzudenken, woher das Fleisch oder die Wurst auf dem Teller stammt und ob man nicht auch darauf verzichten könne. Diese Überlegungen brachte nach Bekanntwerden der städtischen Entscheidung so mancher Leserbrief zum Ausdruck...