Das Leben der Eichhörnchen
Spannendes Buch von Prof. Dr. Josef H. Reichholf

»Das Leben der Eichhörnchen« ist ein spannendes
Buch, in dem wir nicht nur viel Wissenswertes über Eichhörnchen erfahren, sondern auch über viel weitergehende ökologische Zusammenhänge. Durch seinen mitreißenden Schreibstil und Erzählungen von eigenen Erlebnissen vermittelt Prof. Reichholf zudem echtes Lesevergnügen! · Bild: USBFCO - Shutterstock.com
Buchvorstellung von Julia Brunke, Redaktion Freiheit für Tiere
Mit akrobatischen Sprüngen turnt es durch die Baumwipfel, klettert Baumstämme hinauf und hinunter und versteckt Nüsse im Garten: Kein Wunder, dass es so viel Freude macht, Eichhörnchen zu beobachten. Doch was wissen wir eigentlich über das Leben dieser faszinierenden Tiere? Prof. Dr. Josef H. Reichholf entführt in ihre unbekannte Welt direkt vor unserer Haustür.
Prof. Reichholf ist nicht nur einer der renommiertesten Biologen Deutschlands, sondern auch begnadeter Geschichtenerzähler und vor allem ein begeisterter Naturfreund. Mit seinen Erzählungen zieht er uns hinein in die Welt der Tiere und scheut sich anders als viele andere Wissenschaftler nicht, persönliche Erlebnisse in der Natur und mit Tieren in seine naturwissenschaftlichen Bücher einfließen zu lassen. Das Lesen seiner Bücher ist also nicht nur äußerst informativ, sondern macht auch richtig Spaß. Schon 2007 wurde er dafür mit dem Sigmund-Freud Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie der Sprache und Dichtung ausgezeichnet.
Die Geschichte von Eichhörnchenbaby Maxi: Wie Prof. Reichholf zu den Eichhörnchen kam
Zu Beginn seines Buches »Das Leben der Eichhörnchen« erzählt Prof. Reichholf, wie er überhaupt zu den Eichhörnchen kam: »Mit einem vom Himmel gefallenen Eichhörnchen fing es an. Eine Frau ging im Münchner Norden gerade auf den Hof hinaus, als ihr etwas Kleines vor die Füße fiel. Es war ein winziges Eichhörnchenbaby. Zwei große dunkle Kugeln am Köpfchen, die Augen, waren daran am auffallendsten... Wahrscheinlich hatte eine Krähe das Eichhörnchen im Schnabel getragen und fallen gelassen.« Das Eichhörnchenbaby allein zu lassen, würde seinen sicheren Tod bedeuten. Daher beschloss die Frau, das Tierchen zu sich zu nehmen. Der Tierarzt, den sie um Rat fragte, hatte keine Erfahrung mit Eichhörnchenbabys. Da fiel der Frau ein, dass sie jemanden kannte, der in der Zoologischen Staatssammlung arbeitete. Dieser Wissenschaftler, ein Schlangenspezialist, riet ihr, Prof. Reichholf zu kontaktieren, der damals Leiter der Sektion Säugetiere der Zoologischen Staatssammlung war. »Die Frau rief bei mir an, schilderte, was sich zugetragen hatte und bat um Rat«, berichtet der Biologe. Diese Anfrage war für ihn eine ziemliche Herausforderung, da er ebenfalls keine Erfahrung mit Eichhörnchenbabys hatte. Aber das Telefonat traf ihn emotional: »Denn gut ein Jahrzehnt vorher hatte ich mich in einer ähnlichen Lage befunden. Zwei Siebenschläferbabys lagen damals vor mir in einer Schachtel und es galt, sie aufzuziehen. Eines überlebte und wurde das reizendste Tierchen, mit dem ich je zu tun hatte.«
Die Erinnerung an den jungen Siebenschläfer, der »Schmurksi« genannt wurde, rettete nun dem Eichhörnchenkind das Leben: »Es sollte auch überleben, wie jenes Siebenschläferbaby.« Prof. Reichholf fühlte sich in der Pflicht, alles zu tun, damit das Tierchen überlebt. Er knüpfte an seine Erfahrungen mit dem Siebenschläferbaby an, suchte alles Verfügbare in der zoologischen Fachliteratur zusammen.
Das Eichhörnchen wurde Maxi genannt, es nahm an Gewicht zu und gedieh. »Maxi lebte viele Jahre. Er wurde ein super Eichhörnchen, soweit wir dies aus unserer voreingenommenen Menschensicht beurteilen können. Er bekam andere Eichhörnchen dazu, die als Findlinge gebracht wurden...« Für den Biologen war dies Anlass, sich mit Eichhörnchen wissenschaftlich näher zu befassen und sie auch mit ihren Verwandten, den Siebenschläfern, zu vergleichen. Maxi und Schmurksi wurden damit zu den Begründern dieses Buches. Es ist der Versuch, die Welt der Eichhörnchen und ihrer weiteren Verwandtschaft, der Nagetiere, mit unserer eigenen in Beziehung zu setzen. Erstaunliche Parallelen tun sich dabei auf. Reizvolles und nachdenklich Stimmendes kommt zutage.
Auflagen für Naturfreunde - "Das Tun der Naturvernichter bleibt hingegen unbeschränkt"
»Eichhörnchen großzuziehen ist ein Wagnis, das nur wenige Menschen eingehen sollten. Artenschutzrechtlich ist es genehmigungspflichtig, tierschutzrechtlich durchaus problematisch.« Denn die Haltung geschützter Tiere habe sehr viele Auflagen, während freilebenden Tieren kaum Schutz zuteil werde.
Wie schon in seinen vorherigen Büchern ist es Prof. Reichholf ein Anliegen, auf dieses Ungleichgewicht hinzuweisen: »Wer sich aus Neigung und Interesse mit Tieren befassen möchte, gerät sofort unter Verdacht, Schaden zu verursachen. Das Tun der Naturvernichter bleibt hingegen unbeschränkt. Sie haben es politisch geschafft, von nahezu allen Bestimmungen und Beschränkungen ausgenommen zu sein.« Die private Tierhaltung aus Interesse ist genehmigungspflichtig gemacht worden, die Massentierhaltung unterliegt keiner wirklichen Einschränkung. Ein Eichhörnchen aufzunehmen, zu pflegen oder gar großzuziehen, erfordert eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung. Die Forstwirtschaft darf bei der Holzernte genehmigungsfrei die Nester mit den kleinen Jungen darin vernichten.
Ähnlich ist es mit jedem Naturschutzgebiet: Naturfreunde dürfen in Naturschutzgebieten die Wege nicht verlassen, nicht zelten, keine Pflanzen ausgraben, wodurch die Entfremdung von der Natur zunimmt. Doch Jäger und in vielen Fällen auch Angler haben freien Zutritt und dürfen sogar im Naturschutzgebiet Wildtiere erschießen und Fische töten.
In seinem Buch »Ornis - Das Leben der Vögel« (Verlag C.H. Beck, 2014) hatte Prof. Reichholf darauf hingewiesen, dass selbst die offiziellen Naturschutzgebiete die notwendige Aufgabe des Vogelschutzes nicht erfüllen, denn in den meisten werden die Wasservögel bejagt. »Oft lassen sie (die Vögel) sich sogar in Vogelschutzgebieten nur auf große Distanz mit Fernrohren beobachten und bestimmen, weil - fasse es, wer es kann - "Vogelschutzgebiet" in Deutschland nicht bedeutet, dass die Vögel geschützt sind, sondern eher, dass Vogelfreunde nicht oder höchstens mit schwer zu bekommender Ausnahmegenehmigung hineindürfen. Die Vogeljagd geht wie die anderen Formen der Jagd darin trotzdem weiter. Eher noch heftiger, weil ja dank des "Betreten verboten" unangenehme Zeitgenossen ferngehalten werden, die Zeugen des jagdlichen Tuns werden oder die Jagdausübung" (welcher Ausdruck!) sogar stören könnten.«
Auch mit »Das Leben der Eichhörnchen« will Prof. Reichholf zum Nachdenken anregen über Naturschutz, der sich gegen Naturfreunde richtet. Er fragt, ob es nicht längst an der Zeit wäre, »dass die großen Naturschutzverbände ihr politisches Gewicht vereinen, um einen neuen, wirkungsvollen Arten- und Naturschutz zu schaffen. Einen, der die Naturvernichter trifft und nicht die Naturfreunde.«

Während sie auf dem Land scheu sind
und in Agrarwüsten und Wirtschaftswäldern immer weniger Lebensraum finden, gibt es in Städten viele Eichhörnchen. Gärten, Parks und Stadtwälder mit Büschen und Bäumen bieten eine Fülle an Nahrung, Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten. Hier lassen sich Eichhörnchen von Tierfreunden ganz aus der Nähe beobachten. · Bild: Menno Schaefer - Shutterstock.com
Artenvielfalt in den Städten, immer weniger Lebensräume auf dem Land
Und auf noch eine Schieflage weist der Biologe, wie schon in seinen früheren Büchern, hin: Auf dem Land verkommen ehemals fruchtbare und lebensfreundliche Flächen durch die industrielle Landwirtschaft mit giftigen Spritzmitteln, intensiver Düngung und Monokulturen zu regelrechten Agrarwüsten. Die Folge: Artensterben. In einem Umland der Monotonie werden Städte zu Inseln der Artenvielfalt, die Lebensraum für unzählige Tierarten bieten. Und je größer die Stadt, desto vielfältiger und reichhaltiger ist ihr Tierleben. In Berlin brüten über 150 Vogelarten - das sind zwei Drittel aller Vogelarten, die in Mitteleuropa vorkommen. Auch München kann es mit 110 verschiedenen Brutvogelarten mit den meisten bayerischen Naturschutzgebieten an Artenvielfalt durchaus aufnehmen. Im Park der Zoologischen Staatssammlung München leben 650 Schmetterlingsarten - das ist eine Zahl, wie man sie vielleicht in einigen wenigen sehr guten Naturschutzgebieten finden kann.
»Für die Eichhörnchen scheidet sich die Welt ganz klar in eine gute, das sind die Städte, und eine schlechte auf dem Land. Draußen in den Wäldern sind sie vielerorts selten. Immer noch werden sie geschossen. In der freien Natur fliehen Eichhörnchen auf weit größere Distanzen als vor ihren natürlichen Feinden, den Baummardern oder den Habichten. In der Stadt hingegen kommen sie zu den Menschen, ihren Futterspendern.«
In der Stadt gibt es viele Eichhörnchen. Sie haben keine Angst vor dem Menschen. Gärten, Parks und Stadtwälder bieten vielfältige Strukturen an buntem Grün, an Büschen und Bäumen mit einer Fülle an Nahrung, Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten.
Anders sieht es auf dem Land aus, wo doch eigentlich die Tiere zu Hause sein sollten: Hier bekommt man selten ein Eichhörnchen zu Gesicht. Wie alle anderen Wildtiere - von Vögeln über Füchse bis hin zu Wildschweinen -, die sich in Städten wie Berlin oft aus der Nähe beobachten lassen, sind sie scheu. Eichhörnchen fliehen auf dem Land vor Menschen hinauf in die Baumkronen und versuchen sich zu verstecken.

Eichhörnchen ernähren sich
anders als ihr Name vermuten lässt - nicht in erster Linie von Eicheln, sondern von Nüssen und Zapfensamen. Diese liefern viele Proteine sowie Fett und Zucker, so dass es kein Wunder ist, dass Eichhörnchen so viel in Bewegung sind. Im Herbst sammeln sie emsig Zapfen und Nüsse und vergraben sie als Wintervorrat im Boden. Doch sie finden längst nicht alle Verstecke wieder, so dass hier im Frühling neue Bäume sprießen. · Bild: Surawska - Shutterstock.com
Warum Eichhörnchen ständig in Bewegung sind
Prof. Reichholf stellt in seinem Buch »Das Leben der Eichhörnchen« ausführlich alles Wissenswerte zur Biologie des Eichhörnchens vor: Wir erfahren über den Nestbau, wann Eichhörnchen Junge bekommen und wie sie ihren Nachwuchs aufziehen. Und wir erfahren, dass Eichhörnchen schon allein aufgrund ihres Stoffwechsels und Energiehaushalts ständig in Bewegung sind. Eichhörnchen können nicht von Blättern, Gras und Heu leben. So ein Futter wäre nicht ergiebig genug , erklärt der Biologe. Die Nahrung des Eichhörnchens besteht aus Nüssen, Zapfen, Knospen, Eicheln und süßen Früchten, also Nahrung mit hohem Proteingehalt, Fetten und Zucker. »Zucker und Fette, die im Stoffwechsel verbrannt werden, liefern Energie für Körperwärme und Bewegung. Wer viel zu laufen, zu springen und zu graben hat, benötigt entsprechend viel von diesen Energielieferanten.« Vor allem Nüsse bieten sehr viel Energie und sie enthalten auch viele Proteine: »Bei Haselnüssen sind es bis zu 14 Gramm auf 100 Gramm Nussgewicht. Oder anders ausgedrückt: Pro Gramm Eiweiß gibt es drei bis vier Gramm Fett und ein Gramm Zucker dazu.« Weil durch die nötige Menge an Proteinen zumeist ein Überschuss an Fetten und Kohlenhydraten mitgeliefert wird, können Eichhörnchen viel Bewegung leisten.
Prof. Reichholf erklärt, dass Tiere (wie auch Menschenkinder) umso ausgiebiger spielen, je mehr sie beim Wachsen Proteine verbrauchen. »Da geraten Fette und Zucker in Überschuss, der abgearbeitet werden muss. Falls nicht, hat das bedeutende Folgen, wie beim Siebenschläfer. Sie münden in Winterschlaf. Die Außentemperaturen wirken sich immer auf den Energiehaushalt aus. Je kälter es ist, umso mehr muss der Stoffwechsel nachheizen.« Eichhörnchen sind fast immer wärmer als ihre unmittelbare Umgebung, außer die Lufttemperatur nähert sich den 40 Grad. Da werden sie träge.
Eichhörnchen müssen also das ganze Jahr über ausreichend energiereiche Nahrung finden. »Wälder erfüllen diese Grundbedingungen mit den Samen und Früchten von Bäumen und Sträuchern - auch Städte«, schreibt Prof. Reichholf. Städte seien inzwischen für Eichhörnchen sogar besser als Wälder: »Weil die Wirtschaftswälder, die Forste, den Eichhörnchen unter heutigen Verhältnissen weit weniger Nahrung und Sicherheit bieten als der Siedlungsraum der Menschen. Wir sehen dies an der Häufigkeit der Eichhörnchen. In Städten mit großen Parkanlagen kann sie um ein Mehrfaches höher liegen als in Laubwäldern und bis zum Zehnfachen über das Niveau einförmiger Nadelwälder steigen.«

Beim Aufbau natürlicher Wälder
spielen Eichhörnchen eine wichtige ökologische Rolle. Doch naturnahe Wälder werden zunehmend seltener. Eichhörnchen brauchen Bäume, die ihnen Nahrungsgrundlage sowie einen Platz zum Schlafen und zur Jungenaufzucht bieten. Da sie auf die Samen, Triebe und Knospen von Bäumen angewiesen sind, spielt das Alter der Bäume eine entscheidende Rolle. Erst ab einem gewissen Alter produzieren die Bäume Samen - Kiefern und Fichten nach etwa 20 Jahren, Buchen beispielsweise erst nach 80 Jahren. Eichhörnchen benötigen daher alte Baumbestände, um satt zu werden! · Bild: Sven Petersen - Shutterstock.comBild: Sven Petersen - Shutterstock.com
Eichhörnchen pflanzen Bäume
Bäume, die große Samen produzieren, und Tiere, die von diesen Samen leben, befinden sich in einer Wechselwirkung, erklärt der Biologe: Einerseits verzehren Eichhörnchen, Eichelhäher und Spechte Eicheln, Zapfensamen und Nüsse, aus denen neue Bäume wachsen könnten. Andererseits brauchen die Bäume für ihre Samen Transporteure, denn direkt neben dem Mutterbaum ist zu wenig Platz zum Aufwachsen. »Die Nutzer bilden mit ihrem Wirken einen Teil des Kreislaufs, den wir Naturhaushalt nennen«, so Reichholf, und der bestens funktionieren würde, »gäbe es da nicht die Menschen, die immer wieder stören oder gar Teile davon vernichten«. Am Beispiel des Eichhörnchens wird diese Problematik deutlich: »Fressen die Eichhörnchen junge Triebe an Bäumen, die Forstleute gepflanzt haben, werden sie sogleich zum Schädling erklärt und bekämpft. Denn nicht Eichhörnchen sollen entscheiden, welche Bäume wo wachsen. Das behalten sich die Förster vor.« Weshalb "Forst" auch kein Wald im natürlichen Sinne mehr sei, sondern eine Plantage. Eichhörnchen, Eichelhäher, Spechte und einige weitere Tiere nutzen und pflanzen Bäume jedoch von Natur aus.
Viel Wissenswertes nicht nur über Eichhörnchen
»Das Leben der Eichhörnchen« ist also ein spannendes Buch, in dem wir nicht nur viel Wissenswertes über Eichhörnchen erfahren, sondern auch über viel weitergehende ökologische Zusammenhänge. Durch seinen mitreißenden Schreibstil und Erzählungen von eigenen Erlebnissen vermittelt Prof. Reichholf zudem echtes Lesevergnügen!