Kälber in der Milchindustrie: Abfallprodukte?
Die Milchindustrie gaukelt uns in der Werbung gerne vor, dass Kühe ein glückliches Leben auf grünen Weiden führen. Wie sieht die Realität aus? Milchkühe müssen ihr Leben in den meisten Fällen ganzjährig im Stall verbringen. Damit die Kühe immer Milch geben, werden sie jedes Jahr künstlich befruchtet. Die neugeborenen Kälber werden ihren Müttern kurz nach der Geburt weggenommen. Die Milch, welche die Natur für die Kälbchen bestimmt hat, wird maschinell abgepumpt, industriell verarbeitet und im Supermarkt verkauft. Was passiert dann eigentlich mit den Kälbern?
Die Kälbchen werden meist einzeln in so genannte Kälberiglus gesperrt. Mutter und Kind rufen meist tagelang nacheinander. Die Kälbchen erhalten nach der Erstmilch meist billige »Milchaustauscher« aus Molkeprotein oder Soja, durch das sie schnell zunehmen sollen. Zusätzlich zur schmerzlichen Trennung von der Mutter leiden die Kälbchen dadurch oftmals an starkem Durchfall oder anderen Infekten. Auch Hitze und Kälte sind sie in den kargen Boxen nicht selten schutzlos ausgeliefert.
Was passiert mit weiblichen Kälbchen?
Die weiblichen Kälber, die für den Bestandserhalt in der Milchindustrie gebraucht werden, werden mit knapp einem Jahr das erste Mal künstlich besamt. Um fast durchgehend unnatürlich hohe Mengen Milch zu produzieren, müssen Kühe etwa jedes Jahr ein Kalb bekommen. Während der rund neunmonatigen Schwangerschaft wird die Kuh gemolken, nur etwa zwei Monate vor der nächsten Geburt wird sie »trockengestellt«. Im Alter von durchschnittlich weniger als fünf Jahren - also nach drei oder vier Schwangerschaften - werden die Kühe zum Schlachthof transportiert, weil sie nicht mehr wirtschaftlich Milch produzieren.
Was passiert mit männlichen Kälbern?
Etwa die Hälfte der neugeborenen Kälber ist männlich und erfüllt somit für die Milchindustrie keinen »Nutzen«. Anders als dafür gezüchtete Fleisch-Rassen setzen sie nicht viel Fett an, so dass sie für die Mast unwirtschaftlich sind. Und es gibt so viele, dass sie regelrecht verramscht werden.
Kälber als »Wegwerfware«
Weil jede der über vier Millionen Milchkühe jedes Jahr ein Kalb bekommen muss, damit sie Milch gibt, sind die Kälbchen zum Abfallprodukt verkommen.
Ein männliches Kalb bringt oft nicht einmal mehr 30 oder 40 Euro. Die Bundesregierung begründet den Preiseinbruch mit einem Überangebot an Kälbern.
Besonders wertlos sind weibliche Kälber, die nicht für den Bestandserhalt in der Milchproduktion gebraucht werden. Für ein weibliches Kälbchen werden nur noch 1 bis 15 Euro gezahlt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilte im Oktober 2019 auf Anfrage der Grünen mit, dass ein weibliches Kalb im Schnitt 8,49 Euro wert war. Billiger als ein Kanarienvogel , titelte das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Jedes Jahr werden fast 700.000 männliche Kälbchen sowie überzählige weibliche Kälbchen im Alter von zwei bis sechs Wochen an spezialisierte Mastbetriebe verkauft. Viele dieser Betriebe befinden sich im Ausland, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Spanien.
Dies führt dazu, dass wenige Wochen alte Kälbchen oft über 19 Stunden quer durch Europa in einem Tiertransporter unterwegs sind. Für die zwei bis sechs Wochen alten Kälbchen sind die Tiertransporte eine Qual: Sie leiden Durst, weil sie die Tränken für erwachsene Kühe nicht bedienen können, sie lecken an den Metallstangen, brüllen vor Durst, Angst und Stress.
Die Transportzahlen der Bundesregierung zeigen jetzt aber, dass der Export ins Stocken geraten ist. Immer mehr Veterinärämter erteilen keine Genehmigungen mehr für Langstreckentransporte in andere Länder.
Unter dem wirtschaftlichen Druck werden in industriellen Milchbetrieben Kälbchen kurz nach der Geburt mit illegalen Methoden entsorgt - laut Recherchen der WELT AM SONNTAG bis zu 200.000 Kälber jährlich. Vor allem männliche Kälber werden als Abfallprodukt der Milchwirtschaft in den ersten drei Lebensmonaten getötet oder verenden. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern seien es »bis zu 16 Prozent der Jungtiere«, die entsorgt werden, so Frigga Wirths, Tierärztin an der Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes. »Je größer die Betriebe, desto höher die Mortalität.«
Wegwerfkühe: mit 5 Jahren zum Schlachter
1951 gab eine Kuh durchschnittlich 2600 Liter Milch im Jahr. 1980 waren es bereits 4548 Liter und 1998 ganze 5750 Liter, also mehr als doppelt so viel wie vor 40 Jahren! Und heute? Heute gibt eine Hochleistungskuh um die 10.000 Liter Milch in einem Jahr. Nirgendwo sonst in der EU gibt es so viele Milchkühe wie in Deutschland: Es sind mehr als vier Millionen Tiere, die mehr als 30 Millionen Tonnen Milch pro Jahr »produzieren«.
Acht von zehn Milchkühen stehen in Ställen mit Güllehaltung, das bedeutet, sie stehen auf so genannten Spaltenböden. Sie leiden unter entzündeten Klauen und Gelenken. Die meisten Milchkühe werden in Bayern gehalten, hier steht die Hälfte der fast 1,2 Millionen Milchkühe sogar noch in Anbindeställen.
Die überzüchteten Tiere mit einer völlig unnatürlichen Milchleistung sind besonders krankheitsanfällig. Durch ihr riesiges Euter haben sie Schmerzen an Rücken, Hinterbeinen und Klauen. Hochleistungskühe bekommen nicht Heu und Gras, sondern spezielles Kraftfutter, das aber für den Kuhmagen nicht geeignet ist. Die Folge sind oft Magenerkrankungen. Die hohe Milchleistung macht sie auch anfälliger für Stoffwechselerkrankungen. Viele Milchkühe leiden an Mastitis, einer Entzündung des Euters. Ihre Milch enthält durch die enorme Belastung sowie Entzündungen oft viel mehr Eiterzellen. Weil eine hohe Keimbelastung den Milchpreis senken kann, kommen oft Antibiotika zum Einsatz. Mastitis gehört zu den häufigsten Gründen, aus denen Kühe vorzeitig getötet werden.
Früher war es durchaus normal, wenn eine Kuh 15 Jahre alt wurde. Heute kommen Kühe bereits mit nur vier bis fünf Jahren in den Schlachthof. Da eine Kuh erst nach zwei Aufzuchtjahren ein Kalb zur Welt bringt, geben Kühe heute im Durchschnitt gerade noch etwas mehr als zwei Jahre lang Milch! Sie sind zu Wegwerfkühen geworden.
Werden schwangere Kühe getötet?
Seit September 2017 ist es verboten, schwangere Kühe und Schweine ab dem letzten Drittel der Schwangerschaft zu transportieren - dadurch soll die Tötung dieser Tiere im Schlachthof vermieden werden. In früheren Schwangerschaftsstadien schützt diese Gesetzesänderung ungeborene Kälbchen jedoch nicht vor einem Erstickungstod.
Die Schlachtung schwangerer Kühe wird weiterhin - wenn auch eingeschränkt - geduldet und durch das System gestützt. Schwangere Kühe werden transportiert, in den Schlachthof getrieben, durch Bolzenschuss betäubt und dann an einem Bein kopfüber aufgehängt. Dann werden sie getötet, indem ihnen die Kehle aufgeschnitten wird. Sobald die Kehle der Mutter durchschnitten wird, ist die Sauerstoffzufuhr unterbrochen und der minutenlange Todeskampf des ungeborenen Kälbchens beginnt. Nach der Zerlegung der Mutterkuh wird das Kälbchen im Müllcontainer entsorgt.
Ist Biohaltung besser?
Auch in der Bio-Milchproduktion werden Kuh und Kalb voneinander getrennt. Auch in Biobetrieben sind männliche Kälber meist ein unerwünschtes Nebenprodukt. Viele Kälber werden in die konventionelle Mast verkauft. Und auch Tiere, die in Biobetrieben gemästet werden, werden im Schlachthof getötet - spätestens dort werden alle Tiere gleichbehandelt.
Der Fehler liegt im System
Die Tierrechtsorganisation PETA prangert an: »Kälber wurden deshalb zur "Wegwerfware", weil wir Milch von qualgezüchteten Kühen trinken. Wir müssen unser Konsumverhalten hinterfragen. Schließlich würde es die ausbeuterische Praxis und das mit ihr verbundene unvorstellbare Tierleid nicht geben, wenn wir sie nicht unterstützen würden.« Der Fehler liegt also im System: Nur wenn wir unser Verhalten ändern, können wir das Leid von Millionen Kälbern verhindern.
Was können Sie tun?
Wenn Sie dieses ausbeuterische System nicht unterstützen wollen, entscheiden Sie sich für die pflanzlichen Alternativen zu Kuhmilch. Aus ernährungsphysiologischer Sicht benötigt der Mensch keine Kuhmilch. Im Gegenteil: Kuhmilch kann unserer Gesundheit sogar schaden. Regelmäßiger Milchkonsum wird mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs und Prostatakrebs in Verbindung gebracht.
Das kostenlose und unverbindliche Veganstart-Programm von PETA unterstützt Sie mit nützlichen Informationen und Tipps beim Umstieg in ein tierleidfreies Leben.
Informationen:
Freiheit für Tiere: Milch tötet Tiere |
Quellen:
·Kälber in der Milchindustrie: Tierbabys als Abfallprodukte? PETA, August 2021. www.peta.de/themen/kaelber/
Umstrittene Tiertransporte: So sehr leiden Kälber auf ihrer Reise. nordbayern.de, 30.5.2021
·Drama am Kälbermarkt Preise am Tiefpunkt. Agrar heute, 23.6.2020
·Warum ein Kalb nur noch 8,49 Euro im Schnitt kostet. Tagesspiegel, 10.11.2019
· FREIHEIT FÜR TIERE: Milch tötet Tiere. freiheit-fuer-tiere.de/artikel/milch-toetet-tiere.html
· Deutscher Bundestag: Schlachtung tragender Kühe. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/015/1801535.pdf